Montag, 28. August 2017

27.8.17 Tag 6: Der härteste Tag meines Lebens!

So ihr ungeduldigen, hier ist das Ergebnis!

Die "Nacht" endet um 11, geschlafen hab ich nicht. Anziehen heißt bei mir heute, ein Paar Socken aus- und Schuhe anziehen. Zum Frühstück gibts nur Tee und ein paar Kekse und selbst das geht kaum rein. Wasser und Kamera werden, dick eingewickelt gegen Einfrieren, im Rucksack verstaut. Punkt Mitternacht brechen wir auf. Und jetzt erkennen wir den größten Vorteil kleiner Gruppen: Mbise und Patson tragen unsere Rucksäcke. Frei nach dem Motto, lieber gleich entlasten, bevor sie uns später ziehen müssen ;-) Das hat man bei Gruppen mit 20 Mann sicher nicht. Eine riesige Erleichterung. Dadurch bleibt auch mein Trinkschlauch im warmen Rucksack und kann nicht so schnell einfrieren. Die beiden selbst nehmen gar nichts mit, nicht einen Schluck Wasser brauchen sie die nächsten Stunden!

Überall um uns sieht man Glühwürmchenherden, allein in unserem Camp müssen an die 100 Touris gestartet sein! Das erste Stück bis zum etwas höher gelegenen Kosovo-Camp bedeutet gleich mal eine halbe Stunde steil bergauf, teils über Felsen und Serpentinen. Schon hier werden die ersten von den Guides hinterhergezogen! Noch fühle ich mich fit. Am Camp vorbei kommt ein flaches Stück, bevor es im Zickzack quasi bis fast ganz oben geht. Insgesamt müssen wir gut 1200 Höhenmeter überwinden und das bei dieser dünnen Luft. Ami-Organisationen, haben da die Lösung, wir überholen Gruppen, bei denen wird Sauerstoff aus Flaschen serviert!

Noch ist mir richtig warm. Große Gruppen sorgen für Stau, Patsons Überholmanöver bringen mich ans Limit. Wir machen regelmäßige, sehr kurze Pausen zum Trinken und Luftholen. Bleibt man länger stehen, wirds eiskalt. Patson meint aber, wir hätten Glück, oft weht wohl schon hier ein eisiger Wind. Der Blick auf den Sternenhimmel und Moshi ist grandios, der auf die Glückwürmchen vor uns eher frustrierend. Anfangs schaffen wir etwa 200 Höhenmeter pro Stunde, ab der Hälfte wirds aber richtig zäh. Manchmal will ich einfach stehen bleiben und nie wieder einen Schritt machen. Erfrieren muss toll sein, so unanstrengend! Eigentlich geht es mir ja echt gut, keine Anzeichen für Höhenkrankheit. Ich fühle mich nur unglaublich schlapp und kurzatmig. Ach ja, meine Füße haben sich auch irgendwann komplett verabschiedet, wo sie waren, sind jetzt zwei Eisklumpen!

Wir überholen immer noch Gruppen, manche sehen echt beschissener aus als ich mich fühle und immer wieder kotzt mal einer ins Eck. Ich nicht, im Gegenteil,  ich hab Hunger und brauch ein Fruity! Mein Körper schaltet auf Autopilot, Musik muss her, hab mich zum Glück schon im Camp verkabelt. Manchmal kommt uns auch jemand entgegen, der abbrechen muste. Ab etwa 5600m hört das Zickzack auf, es geht gefühlt senkrecht nach oben. Der Point of no return! Als ob ich noch irgendwelche Reserven hätte! Der Berg schenkt mir echt nix! Dazu wirds immer windiger und kälter. Und bei der dünnen Luft friert man noch mehr. Meine Arme und die Hände in den Jackentaschen fühlen sich wie Fremdkörper an. Aber ich will da jetzt einfach hoch!

Das einzig gute an dem Steilstück ist, dass es auf etwa 5750m am Stella-Point endet. Hier treffen alle Rouen zusammen. Inzwischen ist es etwa 6 Uhr, hinter uns färbt sich der Himmel über den Wolken rot. Noch nie habe ich mich so nach Sonne gesehnt! Und ich bin verdammt froh, das schlimmste geschafft zu haben. Vom Stella-Point aus sind es noch knapp 150 recht "flache" Höhenmeter. Trotzdem kämpfe ich bei jedem Schritt. Irgendwann geht endlich die Sonne auf, aber bei etwa -10° und dem fiesen Wind kann sie auch noch nicht viel ausrichten. Inzwischen ist auch mein Schlauch eingefroren, zu trinken gibts nix mehr! Wir bewegen uns über einen ziemlich breiten Grat, vorbei an Gletschern und dem Vulkankrater.

Meter für Meter quäle ich mir dem Ziel entgegen, Patson will mich ziehen, aber mein Ehrgeiz ist zu groß, das muss ich gar alleine schaffen! Und dann, kurz vor 7 ist es soweit! Wir stehen auf dem Uhuru-Peak, dem mit 5895m höchsten Punkt Afrikas und auf dem höchsten frei stehenden Berg der Welt! Oder wie mein Opa gerne sagt: Auf dem ehemals höchsten Berg Deutschlands ;-) Das Gedränge am Gipfelschild ist riesig, jeder will Bilder machen und keiner warten. Als auch unsere im Kasten sind, danke hier an Jens und Patson, meine Hände wollten die Handschuhe und Jackentaschen nicht verlassen, ging es zügig auf den Rückweg.

Inzwischen klapperte ich von Kopf bis zu den Eisklumpen in den Schuhen, so kalt war mir noch nie! Wir bewunderten noch die (leider schrumpfenden) Gletscher links und rechts, am Gipfel selbst gibts kein Eis mehr und auch keinen Schnee. Der Wind pfiff uns entgegen und wirbelte Unmengen an Staub auf. Es ging vorbei am Stella-Point, dann schlitterten wir mehr als wir liefen durch Geröll, Sand und was weiß ich nach unten. Im Steilstück kamen uns immer noch Gruppen entgegen! Wir waren komplett am Ende und daher war auch bergab schlittern extrem anstrengend und ich brauchte viele Pausen. Langsam taute ich auf, wobei ich die warmen Sachen noch ewig anbehielt. Die Eisklumpen gaben sich wieder als Füße zu erkennen.

Um halb 10 waren wir zurück im Camp, von Kopf bis Fuß braungrau eingestaubt. Am liebsten hätte ich gepennt und mich keinen Meter mehr bewegt, aber wir waren heute noch nicht fertig. Gefühlt war es schon später Nachmittag. Es gab eine Schüssel Wasser gegen das gröbste und dann was zu essen. Wir brachten aber fast nix runter, obwohl es heute quasi noch nichts gab. Um viertel 12 brachen wir auf, vor uns lagen noch weitere 1600 Höhenmeter abwärts. Erstaunlicherweise war ich aber topfit, als wir erstmal unterwegs waren! Jens hatte ab etwa der Hälfte stärker zu kämpfen, so ging es für mich ganz gemütlich den staubigen, steilen und teils felsigen Weg hinunter bis zum Mweka-Camp auf 3100m, wo wir gegen halb 4 ankamen.

Erschöpft gings ins Zelt, das Waschwasser färbte sich nur minimal braun... Dann gings mit Kakao und Popcorn ans Blogschreiben. Danach kurz zum Relaxen in den Schlafsack, bevor die ganze Crew zusammengetrommelt wurde. Wir bedankten uns bei ihnen allen und sie sich bei uns und wir verteilten die Trinkgelder. Hier liegt dann der Nachteil an kleinen Gruppen ;-) Zur Vorstellung, die Beträge lagen zwischen 60$ für die Porter und 140$ für Patson. Aber die Menschen hier leben davon und ehrlich gesagt waren auch alle von ihnen jeden Cent wert! Danach wurden wir mit den berühmten Kilimajaro-Gesängen belohnt und gefeiert, das hat hier Tradition nach erfolgreichem Gipfelbesuch!

Im Anschluss gabs ein letztes Abendessen, noch einmal die Kombination mit Reis. Totmüde fielen wir bald in die Schlafsäcke, hatte ich doch inzwischen seit über 36h nicht mehr geschlafen...

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